Ballarò: dice Maria, Part I

„Ich bin Lehrerin hier, unterrichte an der Abendschule zur Erlangung der mittleren Reife.  Wir gehören zu einer staatlichen Schule mit dem Namen Friedrich II. , sind hier zu Gast im Santa Chiara, einer Pfarrkirche, in der unterschiedliche Aktivitäten wie Hausaufgabenhilfe, Kinderbetreuung oder Leibesübungen angeboten werden, Tätigkeiten, die vornehmlich der Integration dienen. Ich unterrichte hier seit 2007. Ich sage immer: was ich hier gelehrt habe ist weniger, als das, was ich hier gelernt habe. Santa Chiara ist ein Ort, ein Kreuzungspunkt von vielen, vielen Menschen, wir sind schließlich hier im Ballarò. Ballarò ist ein sehr populäres, außergewöhnliches Viertel in Palermo. Gleichzeitig ist die Dichte der Migranten sehr, sehr hoch. In unserer Schule treffen Menschen aus dem Viertel, also solche, die hier schon lange leben, die hierher kommen, da sie die mittlere Reife benötigen, weil sie ein Geschäft eröffnen oder den Führerschein machen wollen. Und dazu kommen Menschen aus aller Herren Länder, unterschiedlichster Bildungsgrade, Studierte aber auch Analphabeten. Als Lehrerin ist das eine ganz besondere, sehr schöne Erfahrung. Ein Studierter kommt hierher, um Italienisch zu lernen, aber ich lerne von denen, auch von den Analphabeten einen Haufen Dinge. Sie erzählen mir von ihren Ländern, erklären mir ihre Situation. Ich habe zwar den Concorso Italienisch, Geschichte und Geographie gewonnen, die wirkliche Geographie lerne ich aber, glaube ich, erst hier. Die Geschichten, die mir meine Schüler erzählen sind etwas ganz anderes als die, die man in Geographie-Büchern lesen kann. Gefallen hat mir das nie, jetzt aber gefällt mir Geographie.“

This entry was posted in Allgemein and tagged , . Bookmark the permalink.