“Cafésieren I”: Philosophieren

Über Oswald Spengler (1880-1936) kann man viel Negatives sagen: Deutschnationaler zum Beispiel. Aber so ist das ja sehr häufig bei Gelehrten, die ausgehend von den Naturwissenschaften, die Welt erklären wollen. Dennoch, das kann man schon bei Henry Miller immer wieder lesen, gibt es in seinem Werk “Der Untergang des Abendlandes” publiziert 1923, in einer ersten Niederschrift 1917 vollendet immer wieder Passagen seiner “Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte”, die durchaus lesenswert sind:

Verbundenheit und Freiheit: das ist der tiefste und letzte Grundzug in allem, was wir als pflanzenhaftes und tierhaftes Dasein unterscheiden. Doch nur die Pflanze ist ganz, was sie ist. Im Wesen eines Tieres liegt etwas Zwiespältiges. Eine Pflanze ist nur eine Pflanze, ein Tier ist eine Pflanze und noch etwas außerdem. Eine Herde, die sich zitternd vor einer Gefahr zusammendrängt, ein Kind, das weinend seine Mutter umklammert, ein verzweifelter Mensch, der sich in seinen Gott hineindrängen möchte, sie möchten alle aus dem Dasein in Freiheit zurück in jenes verbundene, pflanzenhafte, aus dem sie zur Einsamkeit entlassen sind.” (S. 558)

Verkürzt ausgedrückt: “Ich will”, sagt das eben geschlüpfte Küken, “zurück ins Ei.”

Die naturwissenschaftliche Ursache dieser zwei widerstrebenden Kräfte weiter auf Seite 558: “Der Samen einer Blütenpflanze zeigt unter dem Mikroskop zwei Keimblätter, welche den später dem Licht zugewandten Sproß mit seinen Organen des Kreislaufs und der Fortpflanzung bilden und schützen, und gleichsam ein drittes, den Wurzelschoß, welcher das unwiderrufliche Schicksal der Pflanze andeutet, wieder den Teil einer Landschaft zu bilden. Bei höheren Tieren sehen wir, wie das befruchtete Ei in den ersten Stunden des sich ablösenden Daseins ein äußeres Keimblatt bildet, welches das mittlere und innere, die Grundlage künftiger Kreislauf- und Fortpflanzungsorgane, also des pflanzenhaften Elements im Tierleib, umschließt und gegen den mütterlichen Leib und damit die ganze übrige Welt abhebt. Das äußere Keimblatt ist das Sinnbild des eigentlich tierhaften Daseins. Es unterscheidet die beiden Arten von Lebendigem, welche in der Erdgeschichte hervorgetreten sind.

Es gibt alte schöne Namen dafür: die Pflanze ist etwas Kosmisches, das Tier ist außerdem ein Mikrokosmos in bezug auf einen Makrokosmos. Erst damit, daß ein Lebewesen sich derart aus dem All absondert, daß es seine Lage zu ihm bestimmen kann, ist es ein Mikrokosmos geworden.”

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