Enges Höschen: Bremen unten rum

Pfingsten in Bremen ist wie Pfingsten in Köln, Frankfurt oder Pfaffenhofen. In Italien oder anderen vermeintlich religiöseren Ländern dieser Welt ist Pfingsten etwas anders, zumindest was den Pfingstmontag betrifft, man arbeitet. Wie eine brasilianische Bekannte zu berichten weiß, ist Deutschland sowieso das Land, in dem am wenigsten gearbeitet wird. Himmelfahrt, Pfingsten all die jetzt fast vergangenen Feiertage sind in anderen Ländern oft Werktage, das erzählt auch Mimmo aus Italien. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf an so manches Land im Süden ist das schon interessant mit den Deutschen und ihren Feiertagen, wobei die südlichen Bundesländer eine noch exponiertere Stellung einnehmen. Aber von denen wissen wir ja, dass sie gerne feiern, die Bayern, auch wenn das nicht immer klappt.

An Pfingsten treibt es die Bremer wie auch an anderen freien Tagen nach draußen. Man lungert auf dem Deich herum und sorgt dafür, dass der Deich kompakt bleibt. Früher erledigten die Schäfchen diese Arbeit, wobei sie in erster Linie die Aufgabe hatten, den Rasenmäher zu ersetzen. In Friesland sieht man sie noch, die flauschigen Bewohner der Deiche. In Bremen ist kein Platz für Schäfchen. Dort lümmeln die Bremer höchstpersönlich auf dem Deich herum. Die Sonne, das so rare Gut, da für gewöhnlich das Grau der Wolken vorherrscht, wird ausgenutzt. Sie wird derart ausgenutzt, dass sie am Ende fast ganz nackt da steht. Grillkohle wird tonnenweise zu Asche verarbeitet, die Ja-Wurst nicht verneint; zwischen Bäume spannt man Seile und balanciert sein unruhiges, hippes Fleisch: ein Drahtseilakt zwischen “Summertime” und „Muss-das-sein?“. Enge Höschen, flippende Flops, tiefgehende Gedanken. Ein Sommer wie er früher einmal war, mit Sonnenschein von Juni bis September. Das letzte Jahr war eine Katastrophe, sich liebende Menschen vereisten vor fehlender Sonne, fehlender Wärme, fehlendem Licht. Dieses Jahr, man könnte vermuten, der Fußballgott würde sich auch noch um das Wetter kümmern, wird ein Sommer wie er einmal war; wie 2006, wie 2010, Zeit für Glück, Zeit für Blümchen, für Kleidchen, luftige Oberhemden – Langarm versteht sich – Sandalen, Ausflüge, Zeit für Public Viewing?! Public Viewing, der englische Ausdruck für Leichenschau. In Gesellschaft trauern.

Nicht nur der Deutsche genießt es, in Gesellschaft zu leben. Auch die Kakerlake wie Sebastian Herrmann in der SZ auf einer ganzen Seite enthüllt, schätzt es, in einer möglichst großen Gruppe „gemütlich“ beisammen zu sein: „Ehrenrettung für die Schabe. Kakerlaken werden vom Menschen geschmäht – dabei leben sie in egalitären Gemeinschaften, lieben Gesellschaft und behandeln Fremde freundlich.“

Gemütlich sieht also folgendermaßen aus: Man setzt mit einer Fähre rüber zum Café-Sand, packt sein Zeug aus, stellt das Fahrrad zu den anderen hundert seiner Art, brät in der Sonne und bestellt Pommes Schranke. Enges Höschen, knappes Höschen, nasses Höschen am Fluss oder am Werdersee, keine 500 m vom Zentrum entfernt, toll, dass alles so nah gelegen ist in der grünen Stadt am Fluss. Die Fähre, die rübersetzt heißt „Punke“, das kann man lesen. Dass der Punkendeich einmal die Flaniermeile der „leichten Mädchen“ war und Punke eben Hure heißt, das muss man nicht wissen, ist aber ganz interessant.

Wer im Gegensatz zur Kakerlake auch mal ganz gerne alleine ist oder es bevorzugt, in angenehmer Gesellschaft einer Freundin Pfingsten zu verbringen, hört auf den Rat eben dieser: „An Pfingsten lohnt sich der Weg unten rum.“ Er setzt sich auf ein flottes, nicht motorisiertes Gefährt und braust in den Süden, fern der Massen, Richtung Weyhe, Sudweyhe, Barrien, nutzt die Fahrbahn für Autofahrer als Rennbahn, die mit überhöhter Geschwindigkeit den Reisehalbleiter fast in den finalen Graben fahren, erschrickt und schaut ungläubig dem Raser hinterher: „Das war knapp! Ein verdammt enges Höschen, unten rum.“

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