Wortbildungslehre im Laden der Bilder

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Pinakothek der Moderne ist ein Ort der Ehrfurcht. Viele Menschen stehen da herum. Sie fragen sich (oder auch nicht), was das zu bedeuten hat: Pinakothek. Andernorts ist die Namensgebung ein Leichtes: Museum of Modern Art, Kunsthalle, Museo Nacional del Prado oder Musée du Louvre. Die Münchner sind da anders. Stets betonen sie den besonderen Status, den sie einnehmen: Bildung hoch, Geldbeutel voll, Sporttempel der Superlative, Champions League. Demut ist was anderes oder wie sagte ein griechischer Wirt im Franziskaner, welches sonderbarer Weise zu Löwenbräu oder umgekehrt gehört: Man muss Gott für alles dankbar sein.

Pinakothek ist ein Kompositum von Griechisch Pinakes (bemalte Weihegeschenke im alten Griechenland) und Griechisch Tékē (Aufbewahrungsort), frei übersetzt also der Laden der Bilder oder Bilderladen. Es stimmt schon, dass es komisch klingen würde: der Bilderladen der Moderne, der Neue Bilderladen oder der Alte Bilderladen. Die Bedeutung ist aber genau die.

Der Bayer hat ein besonderes Verhältnis zu den Griechen. Prinz Otto von Bayern wurde am 17. März 1832 zum Von Gottes Gnaden, König von Griechenland. Das Wappen wurde wie das bayerische ein blau-weißes, welches es noch heute ist. Bayern und Griechenland, ein blau-weißer Bund fürs Leben. Von BMW zur blau-weißen Nationalflagge der stolzen Griechen. Otto liebte die Architektur der alten Griechen und gestaltete halb München klassizistisch.

Die Pinakothek lockte mit “Frauen”, einer Ausstellung von Bildern Picassos, Beckmanns und De Koonings, die Frauen zeigten. Sowohl auf den Bildern als auch im Labyrinth des Museums zeigten sich neunzig Prozent Frauen. Die verbleibenden zehn Prozent waren einerseits Männer, andererseits abstrakte Pinselstriche ohne jede Sexualität.

Der Reisehalbleiter schlich durch die Flure, orientierungslos, betrachtete Bild für Bild von Frauen aus den Augen dreier ausdrucksvoller Künstler. Alles eine Frage der Perspektive dachte er sich. Bevor der Orientierungslose alle Säle durchgearbeitet hatte, war er schon im Ausstellungsladen und startete ein Quiz mit der sehr charmanten Angestellten. “Nicht alle Bilder, die hier ausgestellt sind, haben wir als Postkartenmotiv und nicht alle Postkartenmotive sind hier vertreten“, sagte sie. “Dieses nicht, oder? Und dieses? Und jenes?” Dreimal lag sie mit Nein richtig. Dann wurde der Reisehalbleiter gemein und zog einen Beckmann hervor, den er zuvor im Original gesehen hatte. Und dieses auch nicht!” Sie überlegte. „Nein.“ „Falsch. Hihi, entschuldigen Sie. Ich habe Sie auf die falsche Fährte gelockt. Welches ist denn Ihr bevorzugtes Bild?“ „De Kooning, Untitled Six, Raum sieben“, sagte sie. Ich schaute es mir an und sah nur bunt. „Ich verstehe es nicht, ich habe keine Orientierung beim Betrachten dieses Bildes.“ „Ach, Männer!“ Hörte ich sie sagen. „Immer wollen sie Orientierung und verstehen, statt einfach mal zu sagen: schönes Bild.“ „Aber was deutet darauf hin, dass es als Untitled Six (auch römisch eins bis fünf zeigten keine wirklichen Frauenmotive) in dieser Ausstellung hängt?“ „Tja“, erwiderte sie, „die Kuratorin hat sich dabei was gedacht.“ Der Reisehalbleiter überlegte und dachte an sein Zitat vom Vortag: Genauso wenig wie es die Italiener oder die Deutschen gibt, gibt es die Männer und die Frauen. Oder doch, oder wie, oder was?

Beim Verlassen des Saals wurden auch die Besucher zu einem Quiz eingeladen. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung fragte: Wie heißt die Kuratorin dieser, ihrer letzten Ausstellung in der Pinakothek der Moderne? Anzukreuzen: Carla Schulz-Hoffmann oder Carla Bruni-Sarkozy?

Was fällt einem dazu ein, außer: Mann, Mann, Mann.

Im Schaufenster Richtung Odeons Platz zeigte sich “EinHerz” von Britta Schmierer (1200 Euro). Schön, dachte sich der Reisehalbleiter und ging seines Umweges.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

This entry was posted in Allgemein and tagged . Bookmark the permalink.