Da, wo einst die Flagge hing

Da war ich zuhause: Via Porta di Castro 180. Zu jeder Tages- und Nachtzeit war sie schon aus der Ferne zu sehen, die Fahne vom Haus gegenüber: US Palermo, Pokalfinalteilnehmer, 29.5.2011. Da, wo sie hing, war ich angekommen. Jetzt hängt sie dort nicht mehr. Da, wo sie hing, war ich zuhause. Da, wo die Blumen blühen, verbringe ich die heutige, unruhige Nacht. Titelblatt Giornale di Sicilia: Albergherilla: Hausfrau, 67 Jahre, stürzt bei Hausputz von Balkon, sofort tot.

Nach Einholung diverser Ratschläge, was zu tun sei, kaufte ich eine orangefarbene Rose, ließ sie in ordentlich Zelofanpapier einwickeln und betrat die Wohnung eine Etage tiefer, die Wohnung dessen, der mir erst vor kurzem eine DVD, Ballate Ballarò, überreicht hatte. Entsetzen, Wut, Trauer. Nach katholischer Tradition wird der Leichnam für 24 Stunden in der Wohnung aufgebahrt. Die Haustür ist Tag und Nacht geöffnet, das ganze Viertel verewigt sich in dem Kondulenzbuch. Ein ungewöhnliches, ein sonderbar verfälschtes Bild zeigt sich. Ein klimatisierter Sarg, Jesus an die Wand gebannt, der Raum ist voll von Menschen. Die Verwandten sitzen drumherum, schauen den Leichnam an, klagen und trauern, weinen und schimpfen, beklagen das Schicksal.

Mir bleibt Pina lebend in Erinnerung, wie sie zu mir sagt: Ma io Le ho visto in televisione. Mi hanno detto che Lei ė giornalista! Mi dispiace, ma io non ho mai visto una telecamera davanti a me! Wir lachen gemeinsam, das muss wohl jemand anderes gewesen sein. Ein lachendes Gesicht ist wie die aufgehende Sonne. Mi dispiace. Die Sonne ist für heute untergegangen. Sie wird wieder aufgehen, da wo die Blumen blühen.

This entry was posted in Allgemein and tagged . Bookmark the permalink.