Landleben, eine Kontrastlandschaft

Drei Monate Ballarò und dann? Das Landleben nahe Caltagirone wirkt wie eine Heilanstalt, ein Zauberberg. Die Vögel zwitschern, der Patient ruht, macht Fahrradwanderungen in den Wäldern der Umgebung, lebt nicht nur die Natur, sondern erfährt die „Nähe zum Brot“. Filippo hat sein eigenes Land, trauert innerlich, dass seine Kinder nichts damit anfangen können und wollen. Vor vielen, vielen Jahren hat der Bruder der Gastmutter Irene das Land, welches schon ihre Eltern beackert haben, gekauft. Früher hat man ausschließlich Weizen gesät und geerntet. Wenn das Gold Siziliens zu viel Sonne gesehen hat, dann entflammte es sich und es blieb nichts als verbrannte Erde und ein Trauerszenario vergleichbar demVerlust eines nahen Verwandten. All die Arbeit war dahin und der Ertrag ebenso. Er hat nach Wasser gegraben und hat es gefunden. In seinem Fundus: Hülsenfrüchte, Weizen, Wein, Mandarinen, Zitronen, Oliven, Zwiebeln, Knoblauch, Kartoffeln, ein Garten Eden.

Das Gemüse reicht ihm nicht, man will ja schließlich nicht nur Brot essen, Filippo züchtet Kaninchen. Auf drei Räume verteilt sich seine Zucht. Im ersten befinden sich die Jungtiere, nebenan ziehen drei Weibchen ihre Kleinen hoch, im dritten hocken Männlein und Weiblein und warten auf Inspiration für den Geschlechtsakt. Wenn die Mädels nicht mehr wollen, ja so ist das, dann gibt es eben Sugo. Er schrubbt das Nylon, wie er sagt, Folien, die unter den Käfigen ausliegen und den Kot aufsammeln. Er sagt: diese Arbeit macht sich heute kaum einer mehr. Statt die Behausungen der Tierchen zu pflegen und zu säubern, rufen sie den Veterinär. Eine Spritze hier, ein Medikament da, gesund ist das Tier. Se non vuoi lavorare, che ti resta? Vai a rubare, così trovi i carabinieri. Wenn Du nicht arbeitest, gehst Du klauen, auf diesem Wege machst Bekanntschaft mit den Ordnungshütern. Wenn Du dich um die Tiere kümmerst, dann brauchst Du keinen Veterinär. Wenn Du dich von dem Obst, dem Gemüse ernährst, welches Du selber anbaust, brauchst Du keinen Arzt. Hai capito? Eh, ho eccellentemente capito.

Nur Fliegen ist schöner, könnte man meinen. Der Alchemist, wie Irene sagt, setzt seinen Zaubertrank an. Zwei Kilo Pasta auf einem offenen Feuer in einer Art Abseite; fängt die Tür kein Feuer? Na, man muss halt vorsichtig sein! Ach. Ein Liter Milch hinein, alles schön aufquellen lassen, so auch meine Augen vor lauter Rauch in der Abseite, fertig. Pasta per tutti, für die Hühner und die Hunde. Betty, der von Filippos Kindern in der Stadt verzogene Kampfhund, bellt und attackiert, gut, dass er zuweilen angekettet ist. Essen fassen! Fass! Der Reisehalbleiter versucht sich bei dem ungeliebten Tier einzuschleimen, keine Chance! Elendes Viech. Die Sonne knallt dir auf den Schädel, die Fliegen fangen gegen Nachmittag an zu nerven, Erdkrümel wandern in die Schuhe, beginnen unter der Fußsohle zu scheuern. Die Grappa, die Filippo, destilliert hat, zeigt eine leichte schwarze Färbung. Non la faccio solo per berla. Aha, nicht nur zum Trinken? Na, dann Prost! Nur Fliegen ist schöner…

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