Maria e Berlusconi

Maria ist Sizilianerin, sie unterrichtet an der Abendschule für Ausländer im Santa Chiara, hat unter anderem Theater studiert. Berlusconi ist Ministerpräsident Italiens, hat unter anderem auf Kreuzfahrtschiffen Schlager gesungen. Was unterscheidet diese beiden Personen? Richtig, Berlusconi genießt die Verjährung so mancher Steuerhinterziehung und Straftat. Maria hingegen ist eine gewöhnliche Bürgerin des vom Cavaliere regierten Italien, Verjährung genießt sie nicht. Sie hat also dieser Tage ein Strafmandat erhalten, nach dem sie aufgefordert ist, neunhundertdreizehn Euro, 913 (!!), an den Staatsapparat zu zahlen. Warum? Weil sie neunzehnhundertdreiundneunzig, 1993 (!!!!), falsch geparkt hat, eine Bagatelle, die verjährt, könnte man meinen. Weit gefehlt!

Da Maria aber eine intelligente Frau ist, folgt sie nicht dem Aufruf der Linken in Palermo, den heute in Palermo anwesenden Berlusconi fortzujagen. Sie tut stattdessen dem Land etwas Gutes und kümmert sich um die Sprachprobleme der Migranten.

Maria, Expertin für Spannungsbögen jeder Art, gerät gelegentlich in die Situation, sich nicht zu erinnern, warum sie dies oder jenes an die Tafel schrieb oder zeichnen ließ. Heute: Siracusa. Ludmilla, Ukrainerin, muss aufgrund der Erneuerung ihres Passes zur ukrainischen Botschaft dorthin reisen. Maria erklärt ihr flott, wie sie am besten hinkommt. Ogni ora c’è un pullman che ti porta a Catania. Poi devi chiedere. Der Experte für derartige Angelegenheiten wirft ein: Puoi anche prendere il treno da Catania a Siracusa. Maria erzählt sofort die Geschichte ihrer Zugfahrt von Palermo nach Gela. Acht Stunden hat sie im Zug gesessen, der Vorteil: sie hatte für ihr Studium ein Buch durchzuarbeiten. In Gela angekommen hatte sie es durch. Sie empfiehlt Ludmilla, die Stadt zu besichtigen und nicht nur die ukrainische Botschaft aufzusuchen. Visto che ci sono, perché no, erwidert Ludmilla. Maria hält einen kleinen Vortrag über die Geschichte des Theaters im Allgemeinen und über die erst nach Shakespeare auf der Bühne anzufindenden Frauen im Speziellen. Siracusa hat ein wundervolles griechisch-antikes Theater. Francesco, der Lehrer, der bis dato noch nichts gesagt hat aber dessen Telefon permanent klingelt, sprintet zur Tafel und malt ein solches Theater auf. Ja, sagt Maria (Francesco hat sich übertroffen, in dem er eine Maske aufmalte), die haben auch Masken benutzt, um die Stimme zu verstärken, traten zunächst nur zu zweit, später zu dritt auf, . Sie erklärt, erklärt und erzählt, Shakespeare in love fällt ihr noch ein, bellissimo questo film. Irgendwann fragt sie: Come siamo arrivati a questo tema? Ludmilla fährt morgen nach Siracusa. Ach ja.

Ich wünsche Ludmilla einen schönen Aufenthalt in Siracusa. Maria und allen anderen, eine baldige Abwahl und saftige Bestrafung Berlusconis. Wenn sie ein solches Versprechen bekäme, würde sie womöglich auch das Flugticket zahlen, auf dass der Kavalierskasper seinen vielleicht noch immer guten Freund in Libyen besuchen könnte.

This entry was posted in Allgemein and tagged , , . Bookmark the permalink.