Brotzeit in Walhalla

Die schöne, gar nicht so bayerische Stadt Regensburg liegt bekanntermaßen dort, wo der Regen sich in die Donau ergießt. Hier haben einst die alten Römer ihren Lagerplatz aufgeschlagen. Heute verläuft ein grüner Gürtel um die alten Stadtmauern herum. Wer sich frühmorgens auf die Pirsch macht, laufen geht oder, wie man hier so sagt, rennen geht, sofern man nicht den englischen Ausdruck „to jog“ strapazieren möchte, ist verzückt vom Grün und den Blumen der Stadt. Natürlich würde der englische Ausdruck diesen hier geführten Diskurs um ein Vielfaches verkürzen. Aber da der Reisehalbleiter, wie so viele wissen, seine Eigenheiten hat…

Er läuft herum, um die Stadt Regensburg, und begegnet, wie man es erwartet, einem Bremerhavener Lebensmittelauslieferer. Die Donau ist schließlich bekannt für ihre Flusskreuzfahrten. Da die Bremer schon immer Seehandel trieben, tun sie dieses heute, in dem sie nicht nur Flusskreuzfahrtschiffe in Regensburg, sondern auch in Venedig beliefern, mit dem LKW. Ohnehin gibt es einige Parallelen zwischen der Insel des Wohlseins, der Offenheit, des Charmes und Humors im Süden des „teutschen“ Landes und der Stadt Bremen, die durchaus mit den gleichen Attributen ausgestattet werden kann.

Schon beim Stadtwappen zeigt sich die Nähe dieser beiden Metropolen des Müßiggangs: der Schlüssel respektive die Schlüssel. Die Gemeinden, die sich dem Petrus, der stets Schlüssel für Himmel und Hölle mit sich führte, weihten, scheinen einen Bund des Charmes eingegangen zu sein. Die Bremer kommen etwas säkularisierter daher. Sie ließen sich in ihrer Stadtgeschichte stets ihr Recht auf Freiheit von keinem Geringeren als Karl dem Großen bescheinigen und neigen vielleicht daher zur Ironie. Warum also zwei Schlüssel abbilden? Kann doch der eine für dieses oder jenes gleichermaßen stehen. Bremen hat einen, Regensburg zwei, die Münchner gar keinen Schlüssel. Wohl dem, der den Schlüssel hat.

Regensburg, du grüne Stadt. Wer sich auf ein Zweirad setzt und losbraust die Donau flussaufwärts, erstarrt voller Ehrfurcht vor den alten Griechen. Selber waren die Griechen nicht in Regensburg, aber, da ihr Kulturerbe – das der alten Griechen versteht sich – noch lange nachwirkt, hier in Form des Neoklassizismus, zeigt sich plötzlich die Akropolis in der Oberpfalz: Walhalla, Ort der „teutschen Zunge“. Nach der Schmach an der Seite von Napoleon gegen andere „Teutsche“ kämpfen zu müssen und danach auch noch an dem Russlandfeldzug teilgenommen zu haben, musste schnell ein Monument für die Zusammengehörigkeit der „Teutschen“ daher. Hier entstand, nachdem der Beschluss schon lange gefasst war, Mitte des neunzehnten Jahrhunderts Walhalla, heute behindertengerecht. Ein Fortschritt.

Büsten von historischen Persönlichkeiten schmücken die Wände. Einstein wirkt karikiert, Sophie Scholl irgendwie auch. Beethoven und Bach hingegen marmorn in der Wahrnehmung der deutschen Kulturgeschichte. Zugute halten muss man diesem „Corporate-Identity-Projekt“, dass auch Nicht-Deutsche Einzug erhalten haben. Erasmus von Rotterdam oder Peter Paul Rubens. Ein englischer Historiker (Doktor!) wirft ein: Nationalbewegungen jener Zeit hatten oft das Ziel, parlamentarische Demokratien zu bilden. Wie dem auch sei, die Eindrücke wollen gespült werden.

Hinab den Berg, herab in den Biergarten, wo ist er nur? Ein Hotel! Kupferpfanne. Komischer Name für ein Hotel und eine Gaststätte. Die Mutter des Hauses ruft: „Wir haben geschlossen!“ „Verzeihen Sie, Ihr Sohn zapft uns schon ein Bier.“ „Ach, ich dachte Sie wollen essen.“ „Ja, wir haben unsere Brotzeit dabei. Alles mit ihrem Sohn besprochen.“ Eigens Mitgebrachtes in einem Biergarten essen, das geht wohl nur in Bayern. Süßer Senf, Sauerteigbrot, Obatzter, Schinken und eine Regensburger Wurst. Mahlzeit zusammen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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1 Response to Brotzeit in Walhalla

  1. toothroot says:

    Ich muss kurz intervenieren: Rubens wurde in meiner Heimatstadt Siegen geboren. Ob ihn das dadurch zum “Teutschen” macht, zumal 1577, sei dahingestellt. Nennen wir ihn einen Europäer, damit kann man nicht falsch liegen.

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