Die Neune gerade sein lassen

Der Tag begann mit einem Einkauf auf dem Markt. Ich nutzte den neu eingerichteten Seilbahnservice, bewaffnete mich mit meiner Kamera und machte einen flotten Gang über den Ballarò. Dort unternahm ich den Versuch, nicht jede Ware zu 1€ al kilo, sondern stattdessen Birnen mit Orangen, Zucchini mit Auberginen, Basilikum mit Petersilie zu kombinieren. Das gelang einigermaßen. Wohlwollen von Seiten der Marktschreier gewann ich allerdings nicht. Beim nächsten Mal mache ich wieder den einen Euro voll. Meine Vermutung, die Zeitungen gingen ausschließlich in Druck, um auf dem Ballarò mit Gemüse befüllt zu werden, scheint sich zu bestätigen. Als ich das Foto knipste, schritt der Marktschreier ein und verlangte, ich solle gefälligst ein Foto von ihm machen und nicht von diesen Gemüsetüten. Fatto, erledigt. Ich bewunderte noch die, wie ich sie nenne, ballarotische Neun, die dem Kunden suggeriert, wie günstig doch die Waren sind, faszinierend: Nove, c’è scritto. Neun, steht da doch!

Am Mittag gönnte ich mir mal wieder ein kleines Mahl im Rosa Nero, diesmal gab es den Calamaro ripieno. Ich machte noch einige Audioaufnahmen und staunte über zweierlei Dinge: zum einen, welch Revolution, gab es im Rosa Nero keine rosa Tischdecken wie üblich, sondern grün-weiße! Wenn das mal kein Zeichen ist (kaum schreibe ich diesen Satz, fällt der Ausgleich!). Zum anderen entdeckte ich das Wahrzeichen der Via Veneto, den Gockel, der sich lautstark der heute autofreien Via Maqueda näherte.

Zurück zum Zeitungswesen: ich verbrachte heute morgen fast drei Stunden auf der Piazza Ballarò als Ethnograph. Ich bewegte mich von der Sonne in den Schatten, von Edmond zu Menir, der tatsächlich Karim heißt, und drehte denen ihre heiß geliebten Zigaretten, beobachtete die Szenerie und unterhielt mich hier und da. Edmond hatte eine Zeitung bei sich, ich fragte ihn, ob ich sie mir leihen könnte. Yesterday’s newspaper! Macht ja nichts. Ich studierte die dramatischen Ereignisse, die sich am Vorvortag in Lampedusa abspielten und freute mich, dass Edmond sich über das Weltgeschehen informiert. Er geht nahezu täglich zum Barbier, nicht um sich rasieren zu lassen, sondern um dort yesterday’s newspaper zu ergattern: der Giornale di Sicilia wird gelesen! Auch wenn er häufig nur dasitzt, seine zehn Finger lässt er nicht gerade. Bravo!

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