Kathedralen: Von Handwerkern und Buchhaltern

 

 

 

 

 

 

 

„Von denjenigen, die das Kommando haben, gibt es viele, ich aber heiße Supercomando“, sagt Supercomando aus Ghana. Er isst seinen Mais mit den Händen. Er ist handwerklich begabt. Den Mais mit dem Zähnen abbeißen? Das machen nur Tiere. Er puhlt die Maiskörner mit aller Gelassenheit in die hohle Hand und wirft sie sich in den Rachen. Dem Menschen wurden Hände gegeben, warum also wie ein Tier essen, sagt der Oberkommandant. Der Reisehalbleiter erinnert sich an den Vortag, an dem er mit voller Inbrunst seinen Maiskolben abknabberte. Was für ein Tier mag ich sein? Eine Antilope, ein Gnu? „Look!“ Er zeigt mir seine Tischtennisplatten. „Das habe ich mit meinen Händen gemacht.“ Wait, Supercomando, I’ll take a picture of you! Statt sich aufzuplustern, zu gockeln, den Arm auf sein Werk zu legen, zu posieren, puhlt der Ghanaer mit aller Gelassenheit seinen Maiskolben. Das nenne ich Demut.

Mario Balotelli ist gar nicht adoptiert worden, er lebte aber hier, hier im Ballarò, turnte im Santa Chiara herum, wo der Feldforscher einst ehrenamtlich Nachhilfestunden gab. Weil die Verhältnisse Anfang der neunziger Jahre für Ghanaer, so meine Vermutung, nicht viel besser waren als heute, landete er in Norditalien, wo sich seine neuen Geschwister bestens um ihn kümmerten und ihn protegierten. Womöglich war die wirtschaftliche Lage in Palermo besser, für Immigranten in Sizilien gab es aber wohl auch damals nicht viel zu lachen. Er wuchs wie inzwischen jeder weiß in Brescia auf und ist ziemlich verrückt. Wobei die Tatsache, dass er Buchhalter gelernt hat, nicht so gut in die Legendenbildung eines Wahnsinnigen hineinpasst.

Wie dem auch sei, als Buchhalter muss du präzise arbeiten, präzise Flanke schlagen. Den Ball irgendwo ins Tor ballern? Nein, das geht nicht. Er muss mit aller buchhalterischen Präzision da in den Winkel, dass sich die Gesichtszüge anderer Nationen biegen. Irgendwo nach dem Tor hinter dem Tor rumrennen, die Säge machen, sich an einer Eckfahne platzieren und tanzen. Nein, das ist unwürdig für einen Buchhalter. Die Nüchternheit die Supercomando, nein, Supermario nach einem Treffer in der Premierleague an den Tag legt, ist beeindruckend. Balotelli ein Krieger? Nein, ein Buchhalter wie von Monty Python geschaffen, nüchtern, zurückhaltend, zuverkommend, gewählt in der Ausdrucksweise, was man mit einem macht, der einen mit Bananen bewirft, das ist Balotelli. Oder in seinen eigenen Worten: The good, the bad and the funny.

Ballarò die Wiege des Handwerks und der Buchhaltung hat eine Kathedrale erschaffen, eine Kathedrale des Fußballs. Hier kommt zum Ausdruck, was Fußball ist, Fantasie, Einfallsreichtum, Begeisterung für den Sport. Und hier wird deutlich, was oder wie Ballarò ist, einfallsreich, Wahnsinn.

Viel Spaß beim finalen Kick. Wenn Ihr mich sucht, ich bin nicht im Weserstadion, sondern auf der Piazza Ballarò, inmitten einer Grillparty, ich, bei gefühlt 40°C im Schatten!

Strapatze! Zurück auf die Piazze!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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1 Response to Kathedralen: Von Handwerkern und Buchhaltern

  1. Martalena says:

    Voglio una traduzione in italiano!
    O in siciliano!
    O almeno in inglese, porca miseria!

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