Palermo Plattenkiste

Wenn es im Ballarò dunkel wird, öffnet sich die Plattenkiste Palermo. Evergreens und Klassiker schallen über den Platz. Die alternativen Studierenden kommen in Scharen, greifen sich einen Stuhl oder hocken sich auf die Bierkisten der Marke Forst, schreckliches Gebräu. So sitzen sie den ganzen Abend herum, es wird getrunken und nicht wenig gekifft. Das allerdings ist dort der gute Ton, eine Art Woodstock. Jugendliche genießen einen Grundkurs Musik vergangener Zeiten. Eric Burdon röhrt mit seinen Animals: House of the Rising Sun durch die Lautsprecher, Van Morrison wabert melancholisch, Led Zeppelin und Pink Floyd dürfen nicht fehlen, Bob Marley muss auch mal sein, Status Quo ist noch immer angesagt, auch wenn hier sicher niemand je Teil der Army sein wird. Die Fugees grooven den Platz, es ist alles dabei: das Beste aus den Sechzigern, Siebzigern, Achtzigern, Neunzigern: Radio Ballarò gibt es tatsächlich. Nebenan werden Panelle, kleine Fladen aus Kichererbsenmehl, in heißem Fett gebrutzelt, eine Grundlage auch für die Spanier, die es hier nur in Gruppen von mindestens fünfzehn gibt. Besonders diese trinken gerne die so genannte Bomba, eine Mischung aus allem, was der Barkeeper so hinter seinem Tresen findet, süß muss es sein, Ginbrause.

Bei dieser Musikmischung findet sich der Reisehalbleiter schlagartig in die Plattenkiste Kiel zurückversetzt. Zur Erläuterung: die Plattenkiste in Kiel ist eine Legende, weil dort Schallplatten zu einer Mark zu haben waren, Langspielplatten! Der Clou dabei war jedoch, dass der Musikliebhaber dort recht viel Zeit zubringen musste, die Plattenkiste kaufte schließlich immer komplette Sammlungen zu einem geringen Gesamtpreis auf, so erklärte sich der kleine Preis. Zunächst mussten die Bestände durchgearbeitet werden – wenn man Glück hatte fand sich eine Pink Floyd-Schallplatte unter F – und schließlich musste sich der Audiophile organisieren, um die Neuware zu durchforsten, hier fanden sich Raritäten aus Funk, Jazz und Rock’n’roll. Dabei entwickelte besonders mein Bruder eine Durchsuchtechnik, die es ihm erlaubte, die Zeit vor Ort auf das Minimum, Minimum heißt allerdings nicht wenig, zu reduzieren und die Menge erworbenen Vinyls ins schier Unendliche zu maximieren. Liebste Grüße an dieser Stelle!

Es sind jedoch nicht die historischen Stücke, die an die Plattenkiste erinnern, nein es sind die Musikstücke derjenigen Musikgruppen, die sich immer in der Plattenkiste fanden, wobei Torfrock oder Otto Waalkes sicher nicht durch die ballarotischen Boxen plärren. Nein, es sind diese Erfolgsgruppen wie, na ja, hier einige Songs: Knowing Me, Knowing You; Money, Money, Money; The Winner Takes It All; Super Trouper; Daddy Cool; Ma Baker; Rivers of Babylon, Rasputin, Stayin’ Alive, Night Fever: Disco pur!!!!!! Die Atmosphäre auf der Piazza ist beeindruckend oder wie sich Volker ausdrücken würde, völlig absurd. Was früher die Plattenkiste Kiel war, ist heute Youtube. Ich kann mich gar nicht mehr loseisen: Brown Girl in the Ring. Hiiiiiilfe. Glücklicherweise habe ich mir heute einen Minilautsprecher zugelegt, Wahnsinn der Sound aus dem Miniteil. I’m just a soul who’s intentions are good. Ach, was waren das für Zeiten, Ready or not, here I come. Manchmal, ja manchmal gibt es auch Mannarino: Me so ’mbriacato, dann ist man im Heute, Hier und jetzt.

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