Das Projekt Ballarò: Polyphonie im Süden ist noch lange nicht abgeschlossen. Bevor der Reisehalbleiter aber ein Script produziert, ist er noch mit der Polyphonie des Nordens beschäftigt.
Der wissenschaftliche Ansatz wurde durch einen Workshop untermauert. Eine neue Strömung in der Kulturanthropologie untersucht die Bedeutung der Klanglandschaften eines Raums. Auf www.fieldabuse.com kann die noch treue Leserschaft dieses Blogs einen Einblick in die Arbeit des italienischen Kollegen Claudio Curciotti bekommen. Im Unterschied zu dem Reisehalbleiter-Audio-Konzept, welches sich am klassischen Radiofeature orientiert, untersucht die neue Strömung, auch audiomentary genannt, die Besonderheit von Klanglandschaften, ohne dabei Text (Interviews, Erzähler) einzufügen. Im Sinne eines Radiofeatures könnte man das Audiomentary als minimalistisch erachten. Eine Produktion dieser Art findet jedoch nur nach Mitternacht Platz im deutschen Radio.
Im Internet ist jedoch alles möglich. Sehr zu empfehlen ist dort die Produktion über die Zeit vor der Revolution in Ägypten. Als sie tatsächlich ausbrach war der Tonmeister Claudio nicht mehr im Lande. Bei einem klassischen Feature gibt es den Text als Unterstützung für das assoziierte Gesamtbild. Audiomentary hingegen nutzt Fotos, die kunstvoll zur Imagination des Gegenstands in die Klanglandschaft , eingebaut werden. Bild und Ton müssen jedoch nicht zusammengehören. Beeindruckend ist in diesem Zusammenhang eine klangliche Dominanz oder besser die Vorherrschaft der muslimischen Glaubenspraktik fünfmal am Tag zu beten. Dem Kopten gelingt es zum Beispiel nicht, sich in dieser Klanglandschaft der Vormachtstellung des Anderen, dem Islam, zu entziehen. Von morgens bis nachts hört er, dass er oder sie Teil einer Minderheit ist. Was für den “Zuhörer”, der sich nur kurz dort aufhält, eine reizvolle Abwechslung zum westeuropäischen Alltag ist, kann der Kopte an sich als “Terror” auffassen; und wird lauter Lärm nicht tatsächlich gerne mit Begriff des Terrors zum Ausdruck gebracht?
Wie dem auch sei, der Reisehalbleiter befindet sich auf dem Weg in die Selbständigkeit als freier Autor und Übersetzer. Freier Autor für Radiofeatures mit Themen wie eben der Polyphonie im Süden, als Übersetzer italienischer mehr oder minder literarischer Texte. Der erste Auftrag war das Kriegsgefangenschaftstagebuch eines Italieners, der hier in dem schönen, aber viel zu ruhigen Bremen von 1943 bis 1945 an einem riesigen U-Boot-Bunker arbeiten musste. Diese Übersetzungsarbeit ist abgeschlossen, jetzt verwandelt sich der Reisehalbleiter wieder in einen Autor, freien Autor.
Der erste Auftrag, den er sich selber erteilt hat, wird die Produktion eines Radiofeatures über das Kriegsverbrechen der Wehrmacht an über 5000 italienischen Soldaten auf einer kleinen griechischen Insel sein: Kefalonia. Von dort gibt es dann im September aktuelle Berichte zur Lage der Insel und das selbstverständlich im Sinne des Reisehalbleiters.
Bis dahin gilt es, das Krähen des Hahns, das Miauen der Katze, das Knurren des Hundes und das IAA des Esels in die Sprache des saufenden Affen zu überführen. Und im Übrigen: wer glaubt, dass die geographische Nähe zu einem zum Beispiel Wein anbauenden Land wie Italien oder Frankreich darüber entscheidet, dass dieser, also der Wein, in die Trinkgewohnheiten eines Volkes aufgenommen wird, irrt. Bremen mit seinem nichtexistenten Weinanbau hat eine mindestens 600-jährige Weintradition. Eine Tradition, die nicht nur süddeutschen Weinen , sondern seit jeher auch den Weinen aus dem Bordeaux, Platz im Ratskeller einräumt. Das Meer als Brücke und Grenze! Der unten abgebildete Affe ist im Übrigen Detail des sogenannten Affenfaß‘, Behälter für einige tausend Liter dieses Getränks aus sonnengereiften Früchten, Früchten, die bei dem hiesigen Sommer in Bremen leider niemals wachsen. Das Korn wächst stumpf in die Höh. Ein Wohl auf die Globalisierung, mehr Wein, aber bitte nicht aus Übersee… bitte!