Vorgestern: “Schreib’ ich Morgen!”

Fließt die Zeit oder können wir sie zum Stillstand bringen? Leben wir heute oder morgen? Derart philosophische Fragen will und kann ich an dieser Stelle nicht beantworten. Eine kleine Anekdote von der griechischen Insel Kefalonia soll jedoch den Raum zur Reflexion öffnen, auch wenn das Nachdenken über die Zeit womöglich verschenkte Zeit ist.

Auch wenn laut dem Halteverbotsschild die Saison vorbei ist, der Reisehalbleiter ist vor Ort und mimt den Meister des Müeslis oder anderer eher zentraleuropäischen Frühstücksträume. Frühstücksservice als Freundschaftsdienst. Die Hochsaison ist die Zeit, in der die meisten Sonnensüchtigen sich in den Süden aufmachen, um ihre Zeit in der Sonne zu verbringen und dabei die meiste Zeit am Strand herumlungern, sich vielleicht auch mal die Zeit nehmen, ein gutes Buch zu lesen oder sich in anderer Weise von ihrer zeitaufreibenden Arbeit zu erholen.

Hochsaison bedeutet für den Griechen, Dienste anzubieten, über die er zeitlebens nur den Kopf schütteln kann: Frühstück? Morgens Spiegeleier oder Müesli essen? Um Himmels Willen! Morgens wird gearbeitet, da ist es noch nicht so warm. Mittags wird gegessen, dann legt man sich wieder hin, denn es ist heiß. Später genießt man den Abend oder arbeitet. Der Tourismus ist schließlich die Haupteinnahmequelle der Kefalonier.

Es wird Zeit für die Anekdote: Morgens um sieben wuselt der Reisehalbleiter in der Küche herum, stets bemüht, denn er kennt die Vorzüge der Deutschen und auch der Schweizer, die das Frühstück das „zu Morgen“ nennen. Ich frage den Wirt, ob es noch genug Milch gibt, er erwidert barsch, wie immer zu früher Stunde: „I brought milk yesterday. You have enough milk!“ Ich erwidere ganz umsorgt um die Frühstücksgäste: „I’ll put some milk in the fridge.“ “But you have enough here!””Yes, but we need cold milk for tomorrow!” Auch wenn es sich um haltbare Milch handelt, kalt schmeckt sie immerhin besser und gibt Dir die Illusion, frisch zu sein.

Es folgt ein Monolog: „Ah! Tomorrow!? What is tomorrow? Tomorrow is a metaphysical shit! It’s only in your mind!” V. nimmt sich erbost Kaffee, schüttelt mit dem Kopf, ist ganz außer sich. „There are some, who kill thousands of people, because they think, that they will go to paradise, if they do that. Metaphysical shit!” Er redet sich in Rage. “Milk for tomorrow?! You are crazy. There can be an earthquake today and you won’t need your milk! I’m a seafarer! The sea is calm, the previsions are good and the next day you have waves 100 meter tall! You know. It’s useless to think about tomorrow. Milk for tomorrow?!” Der Reisehalbleiter bleibt beeindruckt zurück. Morgen gibt es Freibier schwirrt ihm im Kopf herum, diesen Satz gab es anderenorts auf einem Kneipenschild zu lesen.

Kommen wir zum Feuerholz. S. sagt, dass die Griechen kein Feuerholz sammeln müssen. Die sind nie so durch den Winter abgeschnitten. Wenn es kalt wird, gehen sie einfach raus und sammeln was sie brauchen. Hat dieser „metaphysische Scheiß“ also was mit dem Klima zu tun, also mit der Tatsache, keine Vorbereitungen für den harten Winter treffen zu müssen oder doch mit dem Meer, welches Wetterumschwünge kennt, die kein Mensch vorhersagen kann und man sich eben nicht auf Vorhersagen wie “Morgen ist die See ruhig!”. Vielleicht mit beidem.

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1 Response to Vorgestern: “Schreib’ ich Morgen!”

  1. Monika says:

    Hoi Luc

    Habe mich köstlich amüsiert! Sehne mich zu euch zurück…herzlich nahe von Zürich Monika

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