“Cafésieren II”: Politisieren

Wer den Sonntag mit Philosophieren verbringt, der kommt nicht am Politisieren vorbei, liest in einer deutschen Gazette und empfiehlt das Interview mit Billy Bragg.

Für die musikalische Untermalung empfiehlt der Reisehalbleiter dieses kleine Video. Kein Weltschmerz. Verantwortung.

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“Waiting for the great leap forwards”

It may have been Camelot for Jack and Jacqueline
But on the Che Guevara highway filling up with gasoline
Fidel Castro’s brother spies a rich lady who’s crying
Over luxury’s disappointment
So he walks over and he’s trying
To sympathize with her but thinks that he should warn her
That the Third World is just around the corner
In the Soviet Union a scientist is blinded
By the resumption of nuclear testing and he is reminded
That Dr Robert Oppenheimer’s optimism fell
At the first hurdle
In the Cheese Pavilion and the only noise I hear
Is the sound of people stacking chairs
And mopping up spilt beer
And someone asking questions and basking in the light
Of the fifteen fame filled minutes of the fanzine writer
Mixing Pop and Politics he asks me what the use is
I offer him embarrassment and my usual excuses
While looking down the corridor
Out to where the van is waiting
I’m looking for the Great Leap Forwards
Jumble sales are organized and pamphlets have been posted
Even after closing time there’s still parties to be hosted
You can be active with the activists
Or sleep in with the sleepers
While you’re waiting for the Great Leap Forwards
One leap forwards, two leaps back
Will politics get me the sack?
Here comes the future and you can’t run from it
If you’ve got a blacklist I want to be on it
It’s a mighty long way down rock ‘n roll
From Top of the Pops to drawing the dole
If no one seems to understands
Start your own revolution, cut out the middleman
In a perfect world we’d all sing in tune
But this is reality so give me some room
So join the struggle while you may
The Revolution is just a t-shirt away

Wer sich für die Persönlichkeit Billy Bragg interessiert, just a click away: Live in the GDR.

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“Cafésieren I”: Philosophieren

Über Oswald Spengler (1880-1936) kann man viel Negatives sagen: Deutschnationaler zum Beispiel. Aber so ist das ja sehr häufig bei Gelehrten, die ausgehend von den Naturwissenschaften, die Welt erklären wollen. Dennoch, das kann man schon bei Henry Miller immer wieder lesen, gibt es in seinem Werk “Der Untergang des Abendlandes” publiziert 1923, in einer ersten Niederschrift 1917 vollendet immer wieder Passagen seiner “Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte”, die durchaus lesenswert sind:

Verbundenheit und Freiheit: das ist der tiefste und letzte Grundzug in allem, was wir als pflanzenhaftes und tierhaftes Dasein unterscheiden. Doch nur die Pflanze ist ganz, was sie ist. Im Wesen eines Tieres liegt etwas Zwiespältiges. Eine Pflanze ist nur eine Pflanze, ein Tier ist eine Pflanze und noch etwas außerdem. Eine Herde, die sich zitternd vor einer Gefahr zusammendrängt, ein Kind, das weinend seine Mutter umklammert, ein verzweifelter Mensch, der sich in seinen Gott hineindrängen möchte, sie möchten alle aus dem Dasein in Freiheit zurück in jenes verbundene, pflanzenhafte, aus dem sie zur Einsamkeit entlassen sind.” (S. 558)

Verkürzt ausgedrückt: “Ich will”, sagt das eben geschlüpfte Küken, “zurück ins Ei.”

Die naturwissenschaftliche Ursache dieser zwei widerstrebenden Kräfte weiter auf Seite 558: “Der Samen einer Blütenpflanze zeigt unter dem Mikroskop zwei Keimblätter, welche den später dem Licht zugewandten Sproß mit seinen Organen des Kreislaufs und der Fortpflanzung bilden und schützen, und gleichsam ein drittes, den Wurzelschoß, welcher das unwiderrufliche Schicksal der Pflanze andeutet, wieder den Teil einer Landschaft zu bilden. Bei höheren Tieren sehen wir, wie das befruchtete Ei in den ersten Stunden des sich ablösenden Daseins ein äußeres Keimblatt bildet, welches das mittlere und innere, die Grundlage künftiger Kreislauf- und Fortpflanzungsorgane, also des pflanzenhaften Elements im Tierleib, umschließt und gegen den mütterlichen Leib und damit die ganze übrige Welt abhebt. Das äußere Keimblatt ist das Sinnbild des eigentlich tierhaften Daseins. Es unterscheidet die beiden Arten von Lebendigem, welche in der Erdgeschichte hervorgetreten sind.

Es gibt alte schöne Namen dafür: die Pflanze ist etwas Kosmisches, das Tier ist außerdem ein Mikrokosmos in bezug auf einen Makrokosmos. Erst damit, daß ein Lebewesen sich derart aus dem All absondert, daß es seine Lage zu ihm bestimmen kann, ist es ein Mikrokosmos geworden.”

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Sommer, so war das nicht geplant!

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Against discrimination, for diversity

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Internationaler Fanaustausch vom Fanprojekt Bremen e.V.

Das Fanprojekt Bremen e.V. ist das erste seiner Art in Deutschland. Anfang April hat das Fanprojekt Bremen e.V. einen internationalen Fanaustausch zum Thema “Diskriminierung und Vielfalt” organisiert. Die Teilnehmer kamen aus Frankreich, aus Israel, der palästinensischen Autonomie und Deutschland. Organisator des Austauschs war Thomas Hafke, hauptamtlicher Mitarbeiter des Vereins. Aufgrund des geringen Medieninteresses ist dieses Youtube-Video-Audio entstanden. Produziert und arrangiert von Javier Gago Holzscheiter www.reisehalbleiter.com.

Herzlichen Dank an alle Teilnehmer des Jugendaustausches, die Organisatoren und die Sponsoren.

 

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Enges Höschen: Bremen unten rum

Pfingsten in Bremen ist wie Pfingsten in Köln, Frankfurt oder Pfaffenhofen. In Italien oder anderen vermeintlich religiöseren Ländern dieser Welt ist Pfingsten etwas anders, zumindest was den Pfingstmontag betrifft, man arbeitet. Wie eine brasilianische Bekannte zu berichten weiß, ist Deutschland sowieso das Land, in dem am wenigsten gearbeitet wird. Himmelfahrt, Pfingsten all die jetzt fast vergangenen Feiertage sind in anderen Ländern oft Werktage, das erzählt auch Mimmo aus Italien. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf an so manches Land im Süden ist das schon interessant mit den Deutschen und ihren Feiertagen, wobei die südlichen Bundesländer eine noch exponiertere Stellung einnehmen. Aber von denen wissen wir ja, dass sie gerne feiern, die Bayern, auch wenn das nicht immer klappt.

An Pfingsten treibt es die Bremer wie auch an anderen freien Tagen nach draußen. Man lungert auf dem Deich herum und sorgt dafür, dass der Deich kompakt bleibt. Früher erledigten die Schäfchen diese Arbeit, wobei sie in erster Linie die Aufgabe hatten, den Rasenmäher zu ersetzen. In Friesland sieht man sie noch, die flauschigen Bewohner der Deiche. In Bremen ist kein Platz für Schäfchen. Dort lümmeln die Bremer höchstpersönlich auf dem Deich herum. Die Sonne, das so rare Gut, da für gewöhnlich das Grau der Wolken vorherrscht, wird ausgenutzt. Sie wird derart ausgenutzt, dass sie am Ende fast ganz nackt da steht. Grillkohle wird tonnenweise zu Asche verarbeitet, die Ja-Wurst nicht verneint; zwischen Bäume spannt man Seile und balanciert sein unruhiges, hippes Fleisch: ein Drahtseilakt zwischen “Summertime” und „Muss-das-sein?“. Enge Höschen, flippende Flops, tiefgehende Gedanken. Ein Sommer wie er früher einmal war, mit Sonnenschein von Juni bis September. Das letzte Jahr war eine Katastrophe, sich liebende Menschen vereisten vor fehlender Sonne, fehlender Wärme, fehlendem Licht. Dieses Jahr, man könnte vermuten, der Fußballgott würde sich auch noch um das Wetter kümmern, wird ein Sommer wie er einmal war; wie 2006, wie 2010, Zeit für Glück, Zeit für Blümchen, für Kleidchen, luftige Oberhemden – Langarm versteht sich – Sandalen, Ausflüge, Zeit für Public Viewing?! Public Viewing, der englische Ausdruck für Leichenschau. In Gesellschaft trauern.

Nicht nur der Deutsche genießt es, in Gesellschaft zu leben. Auch die Kakerlake wie Sebastian Herrmann in der SZ auf einer ganzen Seite enthüllt, schätzt es, in einer möglichst großen Gruppe „gemütlich“ beisammen zu sein: „Ehrenrettung für die Schabe. Kakerlaken werden vom Menschen geschmäht – dabei leben sie in egalitären Gemeinschaften, lieben Gesellschaft und behandeln Fremde freundlich.“

Gemütlich sieht also folgendermaßen aus: Man setzt mit einer Fähre rüber zum Café-Sand, packt sein Zeug aus, stellt das Fahrrad zu den anderen hundert seiner Art, brät in der Sonne und bestellt Pommes Schranke. Enges Höschen, knappes Höschen, nasses Höschen am Fluss oder am Werdersee, keine 500 m vom Zentrum entfernt, toll, dass alles so nah gelegen ist in der grünen Stadt am Fluss. Die Fähre, die rübersetzt heißt „Punke“, das kann man lesen. Dass der Punkendeich einmal die Flaniermeile der „leichten Mädchen“ war und Punke eben Hure heißt, das muss man nicht wissen, ist aber ganz interessant.

Wer im Gegensatz zur Kakerlake auch mal ganz gerne alleine ist oder es bevorzugt, in angenehmer Gesellschaft einer Freundin Pfingsten zu verbringen, hört auf den Rat eben dieser: „An Pfingsten lohnt sich der Weg unten rum.“ Er setzt sich auf ein flottes, nicht motorisiertes Gefährt und braust in den Süden, fern der Massen, Richtung Weyhe, Sudweyhe, Barrien, nutzt die Fahrbahn für Autofahrer als Rennbahn, die mit überhöhter Geschwindigkeit den Reisehalbleiter fast in den finalen Graben fahren, erschrickt und schaut ungläubig dem Raser hinterher: „Das war knapp! Ein verdammt enges Höschen, unten rum.“

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And now, NO. 4, bread and butter in Frankfurt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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And now, NO. 3, bread and butter in Frankfurt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Fotoreporter und seine drei Botschafterinnen. Ist das sexistisch?

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And now, NO. 2, bread and butter in Frankfurt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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And now, NO. 1, bread and butter in Frankfurt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Grüne Soße: So geht Punk heute

 

 

 

 

 

 

 

 

Frankfurt ist nicht nur bekannt für „Handkäs’ mit Musik“, sondern auch für seine Grüne Soße. Aus verschiedenen Gartenkräutern und Sauerrahm wird eine grün-weiße Soße produziert, die man bevorzugt zu gekochten Eiern, im Solzer auch zu Schnitzel und Bratkartoffeln reicht. Aus schwerer Kost wird so ein „leichtes, sommerliches“ Gericht.

Grün-weiß sind auch die Vereinsfarben eines Bremer Fußballvereins, ein Verein, der sich in der Vergangenheit durch spektakulären Offensiv-Fußball Ansehen und Ruhm in der ganzen Republik erwarb, tempi passati, sagt der Italiener. Werder Bremen ist auch dafür bekannt, stets ein eigenartiges Verhältnis zur Wirtschaft zu pflegen. Da werben sie in der Meisterschaftssaison unter Otto Rehhagel für die Deutsche Beamten Versicherung und man fragt sich, was wohl der Werbeeffekt ist. Da werben sie in der Meisterschaftssaison unter Thomas Schaaf für eine Billigschuh-Marke und man fragt sich, ja was denn? Die schönste Saison war wohl die Nichtliaison: Keine Werbung, der reine Fußball, ein sattes grünes Trikot, stilvoll präsentiert von Fußballern mit Stil: Johan Micoud.

Seit einiger Zeit wirbt der Verein für eine Bank. Für eine Bank, die anfangs keinen Namen hatte, eine „Nicht-Bank“ also. Da man als moderner Fußballverein, der auf Geld angewiesen ist, um sich gegen die Dinosaurier der Liga aufzulehnen, etwas auf das Trikot flocken lassen muss, stand da also: So geht Bank heute. Das fanden die vielen, vernünftigen Bremer Fans doof und man veränderte den Slogan in: So geht Punk heute. Da der Punk wenig bis nichts mit vernünftigem Wirtschaften zu tun hat, verschwand das Ideal der hanseatischen „Kühlness“, aus Wenig Viel zu machen aus den Köpfen der Verantwortlichen: Man verprasste das vorhandene Geld und steckte es Menschen zu, die mit Geld schon gar nicht umgehen können: brasilianische Fußballer, die mit einer zu steilen Karriere nicht zurechtkommen.

Dieses äußerst Risiko behaftete Finanzmodell kann in Ausnahmefällen zu schnellem Reichtum führen; auch auf dem Platz, man denke an den Kugelblitz Ailton. In der Regel verändert aber zu viel Geld den Charakter eines Spielers, also einer Mannschaft, die Dekadenz droht. Wo einst noch Abiturienten in die kontrollierte Offensive (Otto Rehhagel) gingen, schleichen heute ungebildete Balla-Balla-Nicht-Persönlichkeiten über den Platz, weil sie sich die Nacht zuvor im Überfluss wälzten oder ihre Extravaganz nicht auf dem Platz auslebten, sondern in ihrem Ferrari, Lamborghini oder anderen Erektionsformen der modernen Männerwelt. Nicht ohne Grund spielen heute die Mannschaften den besten Fußball, die der unverdorbenen Jugend eine Chance geben, denn diese rennen, beißen und kämpfen, weil sie noch nichts wissen, von all dem Sündenpfuhl der Welt der Neureichen und Neuschönen. Es bedarf in diesem Fall nur eines Fußballlehrers, der das Charisma eines tollen, jungen Vaters und den Sachverstand eines guten Fußballers hat, um die junge, ungebändigte Energie in einen Offensiv-Blitzsturm zu bündeln, Chapeau an dieser Stelle.

Bremen ist nicht nur für das in Europa populärste Ballspiel bekannt, sondern auch für seine Pfeffersäcke. So nennt man Geschäftsmänner, die mit realen Produkten wie eben Pfeffer, aber auch Kaffee, Kakao oder Tabak handelten und so zu nachhaltigen Reichtum gelangten. Sie existieren noch heute. Sie stehen für Seriosität und Nachhaltigkeit, tragen keine modischen Herrenanzüge, sondern Anzüge mit Patina, einer Ausstrahlung gleich, die ohne eine Fülle an Erfahrungen in der seit der Hanse bestehenden Geschäftswelt undenkbar ist. Sie zeigen sich kaum, sind zurückhaltend, wirken langweilig und das ist gut so.

„Rewe- und Alnaturaland“

Frankfurt ist nicht langweilig, Frankfurt ist, abgesehen von der schönen Berger Straße, Stress. Höher, schneller, weiter; modische Herrenanzüge dominieren das Stadtbild. Junge Menschen buhlen um alles, was nicht schnell genug auf Bäume klettern kann: Geld. Es gibt jene, die aus praktischen Gründen mit der U-Bahn in die Türme der Aufstiegshoffnung gondeln, es gibt jene, die rücksichtslos mit den neuesten Modellen deutscher Export-Schlager vorfahren und den Fußgänger oder Radfahrer gemäß dem Slogan survival of the fittest die Vorfahrt nehmen oder auch totfahren. Dann gibt es jene, die für gewöhnlich in der Nähe des Holzhausenparks (auch Hölzchenpark genannt) leben und mit dem Hollandrad ihren Bio-Bankgeschäften oder allem anderen, was dazu gehört, nachgehen.

Sie zeugen schöne, glückliche Kinder, die miteinander spielen. Da sie sich nichts, aber auch gar nichts miteinander teilen müssen, spielen sie, statt zu streiten, schade. Sie sprechen Französisch, Englisch, Deutsch, auch Inder sind unter ihnen: Integration par exellence könnte man meinen. Schöne Mütter, die ihre Kinder nicht auf Bäume klettern lassen, Väter, die mit den Kindern bolzen (Stollen verboten; nur „Erwachsenen-Fußball“ verboten; es müssen zumindest ein, zwei Kinder zugegen sein). Der Chai-Latte hat den üblichen Marktpreis. Ein Behinderter im Rollstuhl sitzt in der Sonne, kann nicht alleine rauchen, nicht alleine seinen Rotwein trinken, nicht alleine sein Geschäft erledigen. Er schätzt die Gesellschaft, er hat einen Freund dabei, der ihm bei allem hilft. Als sie vom Häuschen zurückkommen hat eine Mutter bereits Rotwein und alles weggeräumt und einen der letzten Sonnenplätze erobert. Die zwei Männer setzen sich demütig in den kalten Schatten der Eisheiligen. Im Zentrum der Hölzchenpark-Wiese liegen vier große Baumstämme in Form eines unvollendeten Kreuzes…

Wenn man morgens einem der modischen Herrenanzüge folgt – manche Menschen entwickeln eine gewisse Neugierde, wenn so einer alle, aber auch alle Verkehrsregeln missachtet und denkt sich: when in Rome, do as Romans do – landet man wo? Im Fahrradkeller des Commerzbank-Towers, wo im 53sten Stockwerk tausend Jahre alte Olivenbäume „wachsen“, Zutritt verboten, nicht öffentlich hört der Reisehalbleiter. „Nur, wenn Sie hier jemanden kennen, kommen Sie hier rein.“ Die Empfangsdame trägt ein Namensschildchen, der Name ist italienisch. Selbst der Hinweis, Italienisch feixend, dass ich ja jetzt eben sie kenne: „No!“ „Ist denn das WC, wo es diese vier Pissoirs mit Blick herab auf die Dresdner Bank gibt, öffentlich? Kennen Sie das als Frau?“ „Ja, sicher, ist bei jeder Führung, die es bei Arbeitsaufnahme gibt, zu sehen, auch für Frauen. Nicht öffentlich!“ Das WC im Keller ist öffentlich. Der Raum für Kunden hat eine Deckenhöhe von gefühlt 1,80 m. Komisch denkt sich der Reisehalbleiter und schaut nochmal in die Höhe zu den riesigen, aus der Ferne nur zu erahnenden Mittelmeer-Kulturpflanzen. Verwirrung setzt ein. Was hat das zu bedeuten, haben die angemessen dafür bezahlt, dass sie sich der Illusion einer mediterranen Nachhaltigkeit hingeben dürfen?

Bei der Teutschen Punk geht es anders zu. Zwar kommt man als Normalsterblicher auch dort nicht hoch hinauf, man bleibt im Tal, wo man sieht, was in der Welt des Scheins von Bedeutung ist: „Hilfe eine Laufmasche!“ oder „Himmel, wer hat denn vergessen meine Schuhe zu polieren“, der Energie-Goldbarren darf nicht fehlen. Im „BrandSpace“, zumindest eine Etage kann man hier erklimmen, kann sich der Laie über die ersten Projekte der Bank informieren (Bahnstrecke nach Bagdad, Ende des 19. Jahrhunderts) oder ein interaktives Spiel treiben: What’s your passion?

Als Mrs. Holz habe ich die Aufgabe die von meinem Kollegen im SPA-Bereich eines Luxushotels vergessenen Clip-Charts zu holen. Erste Frage: Meeting! Gleich hin oder erst frisch machen? Wer gleich hinrennt und den Dingen nicht die angemessene Zeit gibt, liest auf einem Tablett dargereicht: Game Over. Too early! Niemand da! Als Mrs. Holz habe ich natürlich entschieden, mich erstmal frisch zu machen. Neben meinem Hotelzimmer, der Zufall will es so, logiert eine weltbekannte Heavy-Metal-Band. Ein Telefonat führen? Unmöglich, zu laut! Lösung: E-Mail schicken, statt den Musikern die Leviten zu lesen. Puh. Auf geht’s Clip-Charts holen. Im Flur steht ein Rotzlöffel von fünf Jahren, streckt mir die Zunge raus und betätigt den Feueralarm, setzt sich auf seinen Roller und ist weg. Zum wegwerfen komisch. Die Band starrt mich entgeistert an: Was ist los? Panik, schon wieder eine Entscheidung treffen. Beruhigen! Keine Gefahr! Als ich die Clip-Charts finde geschieht auf dem Rückweg am Pool ein Unglück. Ich stürze, die Charts landen im Pool. Schon wieder entscheiden müssen: Die badende Asiatin fragen oder mit der Strelizie, die am Fenster steht, anfangen zu fischen. Der Reisehalbleiter lacht sich halb tot. Die Security dreht sich um, was macht der Kerl da? Am Ende heißt es „Well done, but you could be excellent or outstanding!“ Hier kommt dann glaube ich der günstige Kredit in der realen Welt zum Zuge…

„Aldi- und Pennyland“

Szenenwechsel einige Tage später: Der Weg zur Bundesagentur für Arbeit ist ein beschwerlicher. Auf dem Fahrrad mache ich es den Autofahrern gleich und heize wie ein Irrer die Straßen entlang, die Musik im Ohr darf nicht fehlen. Irgendwo muss ja die nötige Aggression für den Frankfurter Verkehr herkommen. Autos verstellen die Fahrradwege, Taxen stehen in langen Reihen vor Luxushotels, chauffieren Promis und versperren den Weg. Die Autofahrer haben stets grün, die Fahrradfahrer stets rot, very charming. Gemäß dem Motto „Umwege erweitern die Ortskenntnis“ landet der Heizer in Bockenheim, dem Kreuzberg Frankfurts. Studenten tummeln sich, Wanderer aus aller Herren Länder leben Seite an Seite. Hamida aus Nador, Marokko, verkauft Gebäck und Kaffee. Eric aus Seattle ist mit seinem süßen Sohn unterwegs. Charlotte erklärt den Frankfurter Verkehr. Im nicht-öffentlichen WC der Bäckerei zeigt sich der Eimer „Auch Kleinvieh macht Mist, oder?“. Der Geflügelhändler nebenan heißt Federvieh, like „feathercow“, die Menschen sind gezeichnet vom Überlebenskampf, aber sie lachen und sprechen ohne monetären Profit im Sinn zu haben, ihr einziges Gut ist Wärme und Herzlichkeit. Vor der Hauptschule polieren zwei Mädchen in Adidas-Trainingsblousons das „Aushängeschild“ der Schule. „Was macht ihr denn da? Ich meine, ich sehe, was ihr da macht, aber warum?“ „Wir sind zu spät gekommen!“ „Es ist doch erst acht Uhr in der Früh!“ „Trotzdem!“ Pädagogische Maßnahme hört der Reisehalbleiter später, das ist normal und denkt „Gute Nacht Marie, das Geld liegt auf der Fensterbank!“ Vielleicht rettet sie ihr Äußeres, Erfolg macht sexy, aber gewiss nicht attraktiv. Das ist in ganz Frankfurt zu beobachten.

Solange Menschen glauben, Integration hätte etwas damit zu tun, Fremde aus anderen Ländern in die Gesellschaft aufzunehmen, solange Almosen in Form von Pfandflaschen dargereicht werden und der gütige Herr dabei noch nichtmal mehr seinem Diener in die Augen schauen muss, Bildung immer mehr zu Elitebildung oder Missbildung wird, solange Menschen, die zu schnellem Reichtum gelangen, ihre Wurzeln vergessen. Solange an den Universitäten immer seltener zu lesen ist: „Trinkt nicht von dem Kakao, durch den man euch zieht“, solange der Kreuzfahrttourist in Palermo oder in anderen pittoresken, historischen Mittelmeerstädten Diebstahl begeht, Geschichte atmet, fotografiert, aber nicht kauft; solange geht der Reisehalbleiter seiner Umwege, auch ohne Geld, denn das verdirbt nicht nur den Fußball, konzentrieren wir uns auf das Brot. Spiel ist genug. Keine Zeit für Weltschmerz, Zeit für das Happy End. Eine Utopie? Eine Punk-Passion!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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